Interview mit einer Hexe anno 2014

Michel vom Berch interviewt
Alexandra Raven
Hexe seit Geburt
Eine Hexe 2014? Diese Frage veranlasste mich zu einem Interview mit Alexandra Raven aus Adendorf.
Eine neuzeitliche, "moderne" Hexe?
NEIN! Ich würde mich gerne als traditionelle Hexe mit sehr altem Gedankengut bezeichnen. Vieles davon wird in der Neuzeit gar nicht mehr wahrgenommen.
Woher kommt eigentlich der Begriff Hexe?
Zu diesem Begriff gibt es viele verschiedene Interpretationen.
Zum einen aus dem altdeutschen Wort Hagzissa oder Hagussa. Hag ist das Wort für Zaun und die Erweiterung steht dann für "sitzen" oder "reiten". Aus diesem Zaun hat sich dann vermutlich auch der Hexenbesen entwickelt.
Das englische Wort "Witch" oder "Wicca" ist sehr viel freundlicher formuliert, es bedeutet Seherin, Wahrsagerin.
Richtig bedeutend ist es wohl um die christlichen Zeiten der Hexenprozesse geworden. Man musste eine angstvolle Bezeichnung für Menschen finden, denen man Zauberei oder den Bösen Blick etc. vorwerfen konnte.
Auch die Darstellung in Märchen hielt sich an die christlichen Vorgaben dass Hexen "böse" Menschen sind.
Die schönste und mir persönlich liebste Abstammung ist der vorchristliche Götterglauben der besagt, dass es sich bei einer Hexe um eine Art (Wald) Priesterin handelt.
Durch die vielen Verfälschungen und immer wieder neu interpretierten wenigen schriftlichen Überlieferungen, bilden sich die Menschen ihre eigene Begriffserklärung, die leider eher negativ ist.
Hauchen wir also diesem Begriff wieder mehr positives und vor allem lebendiges ein!
Seit wann ist für Dich der Begriff Hexe eine Beschreibung Deiner Persönlichkeit?
Das war ein längerer Entwicklungsprozess.
Seine eigene Persönlichkeit zu entwickeln obliegt auch vielen Außeneinflüssen. Dass ich "anders" war, war mir schon sehr früh bewusst, denn viele Dinge um mich herum waren mir befremdlich und so wurde ich häufig ausgeschlossen. Mit Beginn der Schulzeit war es sehr offensichlich, nur dass ich damals noch bei dem Wort Hexe an jene aus dem Märchen gedacht hätte.
Eine Zuordnung stellte ich erst nach dem Tod meiner Oma Emilie, im Alter von 13 Jahren fest.
In welchem Alter begann Dein öffentliches Leben als Hexe?
Zunächst war es ein Lernprozess, sich mit den Erlebnissen, erinnern an altes Wissen und Aufzeichnungen zu beschäftigen. Eine Öffentlichkeit war in meiner Jugend undenkbar, musste man sich nach Außen immer wieder "normal" präsentieren und den gesellschaftlichen Anspruch bedienen. Es war nicht immer einfach, denn so manches Mal waren meine Meinungen und Äußerungen höchst auffällig und führten wiederum zum Ausschluß meiner Person. Am Anfang wussten nur die engsten Vertrauten von meiner Gesinnung.
Verhalten öffentlich wurde ich mit meiner Gesinnung erst mit Ende 20 und dann wuchs es mehr und mehr.
Hattest Du Schwierigkeiten im Freundeskreis wenn Du Dich als Hexe offenbart hast?
Im Freundeskreis eher weniger, da die Bezeichnung Freund für mich enger definiert ist als vielleicht bei anderen. Jene wahren Freunde die es in meinem Leben gibt sind an einer Hand abzählbar und sie haben mir nie Schwierigkeiten bereitet.
Ganz anders wenn es an Bekannte geht oder jene die sich als Freund sehen oder gerne gesehen werden, diese machen viele Schwierigkeiten.
Konntest Du in der Ausbildung und im Berufsleben mit Deiner Lebensphilosophie offen umgehen?
Zu Anfang nicht, denn meine Suche nach dem richtigen Beruf, welches meiner Berufung nahe kommt, war durch viele Umwege geprägt.
Eine stumpfe Ausbildung die keinerlei Philosophie zuliess und mehrere weitere Tätigkeiten die ebenfalls kaum Raum dafür ließen. Begleitend war allerdings immer, dass ich in jeder Tätigkeit auf Menschen stieß, die Hilfe benötigten zumeist auf seelischer Ebene. War ich doch immer die Hauptansprechpartnerin wenn es darum ging Probleme auf zwischenmenschlicher und seelischer Ebene zu lösen.
Was sagte Dein erster Freund zu Dir, als er erfuhr, das Du eine Hexe bist?
:-) Mein erster Freund hatte keine Ahnung davon!
Du wurdest christlich erzogen, in welchem Alter hast Du Dich dem Christentum abgewandt?
Diese Religion spielte in meiner Familie keine wirklich große Rolle. Ich wurde zwar evangelisch getauft und auch konfiriert, aber eher deshalb, weil es eben alle machen. Ich habe wohl die Bibel gelesen und mich für ihre Geschichten interessiert aber schon damals parallel dazu Literatur gelesen und viel hinterfragt. Ich habe mich in Kirchen nie richtig wohl gefühlt, es war kalt dort. Noch heute kann ich manche Kirchen nicht betreten ohne das mich eine Gänsehaut schüttelt.
Nach meiner Konfirmation war ich eigentlich fertig mit dieser Religion. Meine Eltern ließen mir zum Glück viel Freiraum, was dies betraf.
In welchem Alter begann auch der äußerliche Wandel und das öffentliche Auftreten als Hexe?
Äußerlicher Wandel? Wie hat eine Hexe auszusehen? Im Grunde sehe ich aus wie viele andere Menschen auch. Jeans und Turnschuhe, T-Shirt oder Pullover. Eine Hexe ist man innerlich, menschlich und auch äußerlich durch Taten.
Doch natürlich gibt es auch äußerliche Formen der "Erkennung", so trage ich Schmuck: einen Raben, ein Pentakel und eine kleine Hexe. Ebenso zieren Tätowierungen meine Haut; der Triple Moon im Nacken und einen Raben auf dem rechten Schulterblatt.
Und immer wenn ich offiziell unterwegs bin, dann trage ich auch Kleidung in der ich mich am wohlsten fühle. Dieses sind besondere Kleider und Umhänge in meiner Lieblingsfarbe schwarz oder rot.
Dieser Wandel und das öffentliche Auftreten begann mit der Eröffnung unseres Versandhandels DRUIDENMARKT im Jahre 2009 verstärkt.
Welches Familienmitglied hat Dich gelehrt oder Dir Eigenschaften vererbt?
Zum einen war da meine Oma mütterlicher Seits. Ihre Erlebnisse und Geschichten in den Kriegsjahren lehrten mich viel über Menschen. Auch kannte sie viele alte Heilmittel und wenn ich einmal krank war hatte sie immer etwas zur Hand was mir half.
Mein Opa väterlicherseits war ein Wünschelrutengänger. Die Menschen riefen ihn wenn sie Wasseradern vermuteten. Sie gruben Brunnen nach seinen Mutungen.
Mein Vater hatte ebenfalls viele Vorahnungen und Erlebnisse gehabt, die er mir berichtete und ich daraus auch lernen konnte.
Hat Deine Philosophie Deine Berufswahl beeinflusst?
Das hat sie, wenn auch erst in späteren Jahren. Mein Hang zu Hilfetätigkeiten war schon immer sehr ausgeprägt, doch viele äußerliche Umstände hielten mich zunächst davon ab in diesem Bereich zu arbeiten.
Das Universum hat mir dafür reichlich Zaunlatten verpasst und so machte ich im Jahr 2005 eine Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie und erfüllte mir den Traum einer eigenen Praxis. Da Krankenkasse uns HP gegenüber immer noch sehr kritisch gegenüberstehen und viele Therapien nicht abrechnen, musste ich nach 2½ Jahren einen neuen Entschluss fassen und die Praxis erst einmal aufgeben.
Ich fand in der Altenpflege eine Arbeit, die mir viel Spaß macht und wo man von den alten Menschen sehr viel lernen kann.....und ihr glaubt gar nicht wie sehr viel unbefangener sie damit umgehen, dass ich eine Hexe bin.
Auch mein Tätigkeitkeitsfeld im Druidenmarkt erfüllt mich mit sehr viel Freude und somit lebt auch meine Praxis wieder auf.
Würdest Du Deinen Kindern den Weg als Hexe ebnen oder es ihnen selbst überlassen sich dafür oder dagegen zu entscheiden?
Meine Kinder dürfen sich ihren Weg selbst wählen.
Egal wie sie sich entscheiden, ich werde sie immer unterstützen und es akzeptieren welchen Weg sie wählen.
Was ist aus Deiner Sicht die herausragendste Eigenschaft einer Hexe?
Ihr bedingungsloser Glauben an ihre Fähigkeiten sowie die ständige Bereitschaft aus Fehlern zu lernen.
Ihre Liebe zu den vielen Wesen die unsere Erde bewohnen und für die meisten unsichtbar geworden sind.
Ihr Mut auf alten Pfaden zu wandeln und diese neu zu beleben.
Was sollte eine Hexe in keinem Fall tun?
Hier würde ich wohl zunächst das bekannteste Zitat nennen: Tu was du willst, doch schade niemandem.
Das allerdings muss man für sich selbst definieren: Nicht alles was ich tun will, kann ich verwirklichen, denn die Gesellschaft ist noch längst nicht bereit dafür. Es ist wichtig sich an geltende Gesetze zu halten, denn es macht wenig Sinn mit der Brechstange einher zu kommen. Was den Schaden betrifft, so würde eine Hexe niemandem Schaden, dem man nicht mit Gesprächen oder Hinweisen auf falsches Verhalten darauf aufmerksam machen kann. Wer allerdings Schaden wissentlich provoziert und aussendet, dem wird es zurück gesandt und er selbst trägt die Verantwortung dafür.
Eine Hexe sollte niemals bei Hilfesuchenden falsche Hoffnung wecken und Versprechen geben, die sie nie halten kann. Sie muss wahrlich nicht alles können aber auch bereit sein, dazu zu stehen.
Was sollte eine Hexe in jedem Fall tun?
Zu ihrem Weg stehen und diesen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gehen.
Die ihr anvertrauten Fähigkeiten pflegen und ausbauen.
Du hast einen sozialen Beruf, hilft Dir Deine Einstellung dabei oder ist sie eher hinderlich?
Absolut förderlich!! Bei der Arbeit mit Menschen ist Einfühlungsvermögen eine Grundvorraussetzung. Das Wissen über Zusammenhänge von Körper, Geist und Seele ist unglaublich hilfreich in vielen Situationen ruhig zu bleiben, zu helfen und zu entscheiden.
Gerade im Zusammenhang mit dem Tod, der in der Altenpflege allgegenwärtig ist, hat es schon so manches Mal Linderung gebracht und trotz Tränen ein Lächeln gezaubert.
Unterscheidet sich Deine Ernährung in wesentlichen Teilen von der einer Nichthexe?
Auch das ist Einstellungssache und nicht Voraussetzung eine Hexe zu sein.
Ich ernähre mich wie viele andere Menschen auch. Ich bevorzuge Gemüse und Kräuter, esse aber auch Fleisch.
Gibt es regelmäßige Rituale des Tages?
Natürlich gibt es die sogenannten großen Rituale zu Jahreskreisfesten, Vollmond und Neumond.
Dann die Rituale bei denen ich für Menschen tätig bin wie Schutzrituale, Bannungen, Heilung oder Handfasting.
Die täglichen Rituale würde ich als die stillen Rituale bezeichnen. Jeder Tag hat neue Herausforderungen auf die man sich einstellen muss, somit bin ich jeden Tag verbunden mit meinen Krafttieren und dem Universum. Erdungen oder Schutzschilder aufbauen ist täglich gefordert sowie auf der anderen Seite die Energie fliessen zu lassen, wenn notwendig.
Welcher Religion bist du zugetan?
Das Wort Religion ist sehr eng und hat in der heutigen Zeit durch die Kirche einen negativen Anstrich bekommen.
Religion verbinden die meisten Menschen heute mit den Dogmen der Kirche.
Bevor das Christentum enstand, glaubten die Menschen an ihre Götter, an die Natur und an ihr Wissen.
Natürlich gibt es auch heute Namen dafür wie Pagan, Wicca oder Druidentum.
Meine Religion oder meinen Glauben würde ich als "ich bin eine Hexe" bezeichnen. Ich glaube an das Universum und den darin lebenden Göttern und Göttinnen. Ich glaube an die Naturwesen und an die Anderswelt.
Hast Du eigene Rezepte oder kannst Du Empfehlungen geben die der Gesundheit förderlich sind?
Der Gesundheit zum Wohle ist es förderlich immer auf möglichst frische Zutaten beim Kochen zu achten.
Die Verwendung von Kräutern und Gemüse von Händlern des Vertrauens oder im eigenen Garten gezogen.
So ein frischer Pfefferminztee von der eigenen Pflanze ist wunderbar fürs Gemüt.
Eine Ingwerwurzel beruhigt den Magen und ausgekochte Kamillenblüten macht blondes Haar wunderbar strahlend.
Hierüber könnte ich sicherlich eigene Bücher schreiben.
Würdest Du Dich als Heilerin bezeichnen?
Das ist ein großes Wort "Heilerin"! Schaut euch um und seht wie viele Menschen sich als solche bezeichnen und wie anmassend dieses im Grunde ist.
Heilen kann sich im Grunde jeder selbst, aufgrund seiner Einstellung zu Krankheiten und seinem positiven Kampfgeist dagegen.
Um zu heilen muss man selbst heil sein und nicht seine eigene Zerissenheit überdecken und ablenken und diese mittels Heilungen an anderen versuchen zu lindern. Was übrigens nur selten gelingt.
Ich betrachte mich als Hinweiserin, Beraterin und Begleiterin auf den Wegen der möglichen Heilung.
Es kann ein Wort sein, eine Geste oder ein Kraut welches zur Heilung führen kann, wenn der Mensch bereit ist selbst mitzuhelfen und zu glauben.
Herzlichen Dank Alexandra für die ehrlichen Antworten und weiterhin viel persönlichen und geschäftlichen Erfolg.